Manager haftet wegen gestrichener Klausel

Eine solche Situation ist Alltag in vielen Unternehmen: Kunden oder Vertriebspartner machen Druck, verlangen bessere Konditionen und drohen mit Kündigung. Das führt für angestellte Manager, deren Vergütung und Reputation stark vom Erreichen von Vertriebszielen hängt, zu einem Dilemma. Einerseits wollen und müssen sie im Unternehmensinteresse handeln, andererseits möchten sie wichtige Ertragsquellen nicht verlieren und sich auch vor den Gesellschaftern keine Blöße geben. Werden dann weitgehende Zugeständnisse gemacht, kann dies aber persönliche Haftungsrisiken mit sich bringen, wie eine Entscheidung des OLG München zeigt.

Ingo Petzmann* ist Geschäftsführer der Return Estate GmbH*, die Immobilien als Kapitalanlage vermittelt und ein bundesweites Vertriebsnetz bietet. Mit der Maxvalue Sales GmbH* schließt er zunächst eine Rahmenvereinbarung zum Vertrieb von Immobilienobjekten. In dem Vertrag sind unter anderem Regelungen zum Untervertriebspartner-/Kundenschutz und zur Geheimhaltung enthalten. Zwei Jahre später stimmt Petzmann auf Druck des Vertragspartners zu, dass die Vereinbarung angepasst und dabei neben einem geringeren Provisionssatz auch die Kundenschutz-Klausel gestrichen wird. Wegen dieser Vertragsänderung wird Petzmann schließlich nach seinem Ausscheiden haftbar gemacht: „Sie haben nach außen hin wirksam durch Abänderung der Rahmenvereinbarung zum Nachteil der Return Estate GmbH gehandelt. Zu einer Reduzierung der Provision und Streichung der Kunden- und Quellenschutzvorschriften waren Sie nicht befugt“, heißt es in einem Schreiben, das die Gesellschafter an ihn über die Return Estate GmbH richten lassen.

Streichung der Kundenschutzklausel ist pflichtwidrig

Der Fall landet als Feststellungsklage vor dem Landgericht München II, das letztlich eine persönliche Haftung Petzmanns bejaht. Alle weiteren Schäden, die durch dessen „eigenmächtige Vertragsänderung der Rahmenvereinbarung entstanden sind oder noch entstehen werden“, müsse Petzmann auszugleichen. Der Manager legt Berufung ein, doch das Oberlandesgericht München kommt in seinem Beschluss vom 08.02.2018 (Aktenzeichen: 23 U 2913/17) zu dem gleichen Ergebnis: Der Abschluss des neuen Rahmenvertrags ohne eine Kundenschutzklausel wie im alten Rahmenvertrag stelle ein pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers dar, weil darin eine Überschreitung des unternehmerischen Ermessens liege.

Aus dieser Entscheidung lassen sich die folgenden Punkte für Geschäftsführer und Vorstände ableiten:

  • Ein Geschäftsführer oder Vorstand hat sich an Gesetz und Gesellschaftsvertrag/Satzung zu halten sowie Weisungen der Gesellschafter zu beachten.
  • In diesen Grenzen steht dem Geschäftsführer/Vorstand ein weites unternehmerisches Ermessen zu.
  • Dieser weite Handlungsspielraum umfasst auch das Eingehen geschäftlicher Risiken – ist allerdings überschritten, wenn aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters „das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen“.
  • Wenn ein Unternehmen den vertraglichen Kundenschutz aufgibt und sein gesamter, im Rahmen der bisherigen Vertragsbeziehung bekannt gewordener Kundenbestand für den Vertragspartner ohne Weiteres nutzbar wird, führt dies zu einem ganz erheblichen wirtschaftlichen Risiko für das Unternehmen.
  • Um eine persönliche Haftung des Geschäftsführers auszuschließen, muss das Risiko durch einen „erheblichen wirtschaftlichen Vorteil“ aufgewogen werden – dies ist durch den Geschäftsführer/Vorstand zu dokumentieren und zu beweisen.
  • Es reicht nicht, sich auf die Gefahr einer sofortigen Kündigung durch den Vertragspartner zu berufen, wenn die neue Vereinbarung kurzfristiger kündbar und auch finanziell für das Unternehmen ohnehin ungünstiger als die frühere Vereinbarung ist. Selbst wenn es zunächst eine gewisse Chance oder Hoffnung gibt, dass der Vertragspartner von einer unmittelbaren Kündigung absehen und den Vertrag fortführen wird, überschreitet die Streichung einer Kundenschutzklausel das unternehmerische Ermessens und ist infolge dessen als Pflichtverletzung einzustufen.

Um eine persönliche Haftung zu vermeiden, hätte Petzmann also in den Vertragsverhandlungen im Gegenzug für das Streichen der Kundenschutzklausel einen konkret bezifferbaren Vorteil für die Return Estate GmbH herausholen müssen. Die bestehenden Kunden schlicht preiszugeben, nur um einen Vertragspartner zu halten, ist ein Pflichtverstoß. Bei allem verständlichen Bemühen um die Bindung von Kunden bzw. das Sichern von Ertragsquellen sollten Geschäftsführer und Vorstände – schon zum Selbstschutz – vor vertraglich bindender Aufgabe von Rechtspositionen daher gut überlegen und schriftlich fixieren, was dieser Einbuße verbindlich gegenübersteht.

*Namen und Firmenbezeichnung geändert

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