Bei einem Vorstand melden sich zwei M&A-Berater, die angeblich noch offene Forderungen haben. Als sie mit gerichtlichen Schritten drohen, knickt der Manager ein und zahlt – obwohl unklar ist, ob die Ansprüche tatsächlich bestehen. Rechtlichen Rat hat er nicht eingeholt. Warum anstandslose Zahlungen eine Straftat sein können, zeigt ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.02.2022 (3 StR 329/21).
Rick Runte* ist Alleinvorstand der Bluelake Capital AG*. Die noch junge Beteiligungsgesellschaft hält Anteile an der GreenHealth GmbH*, für die Runte einen Käufer sucht. Dazu beauftragt er zwei M&A-Boutiquen von zwei ihm persönlich bekannten Partnern – die eine auf reiner Erfolgsbasis, die andere erhält monatliche Retainer und eine Success Fee. Beide wissen nichts voneinander und beginnen damit, Investoren anzusprechen.
Ohne Berater zur Transaktion
Einige Monate später sitzt Runte in Champagner-Laune beim Closing Dinner und freut sich, dass er keine Erfolgsprovision überweisen muss. Denn keiner der beiden Berater hat zu der erfolgreich abgeschlossenen Transaktion etwas beigetragen. „Im Zweifel muss man das halt selbst machen. Es geht doch nichts über ein weitverzweigtes Netzwerk“, erklärt er seinem Finance Director.
Es folgen Rechnungen und Mahnungen
Zwei Tage nach den Feierlichkeiten ist die prächtige Laune verflogen. Beide Berater haben mit Interesse die Pressemitteilung über die Transaktion gelesen und senden saftige Rechnungen an Runte, der die Zahlungsziele erst einmal verstreichen lässt. Die Berater bleiben hartnäckig, senden letzte Mahnungen, drohen mit gerichtlichen Schritten und schalten auch den Aufsichtsrat ein. Um sich der Störer zu entledigen, lässt Runte die Rechnungen letztlich doch überweisen – obwohl sie jeglicher Grundlage entbehren. Etwa zwei Jahre später muss Runte einen Insolvenzantrag für Bluelake Capital stellen. Als der Insolvenzverwalter die beiden unberechtigten Berater-Rechnungen bemerkt, fordert er Runte erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz auf und erstattet schließlich Strafanzeige wegen Untreue.
Die Entscheidung des Gerichts
Der Bundesgerichtshof entschied, dass dem Vorstand einer AG (Hinweis: dies gilt auch für GmbH-Geschäftsführer) bei der Leitung der Geschäfte eines Unternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werde. Dazu gehöre
- neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken
- auch die Inkaufnahme der Gefahr, Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen.
Eine Entscheidung auf unzulänglicher Tatsachengrundlage könne für eine Pflichtverletzung sprechen. Dazu müsse aber
- „ein schlechthin unvertretbares Vorstandshandeln“ vorliegen;
- der Leitungsfehler „muss sich auch einem Außenstehenden förmlich aufdrängen“.
Der Vorstand bzw. Geschäftsführer habe alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art sind auszuschöpfen. Bezugsrahmen sei die konkrete Entscheidungssituation: notwendig, aber auch ausreichend sei es, dass sich das Organmitglied
- eine unter Berücksichtigung des Faktors Zeit und unter Abwägung der Kosten und Nutzen weiterer Informationsgewinnung angemessene Tatsachenbasis verschafft;
- je nach Bedeutung der Entscheidung sei eine breitere Informationsbasis rechtlich zu fordern.
Die Vorinstanz habe keine Feststellungen dazu getroffen, aufgrund welcher Informationslage der Vorstand die Überweisungen veranlasste. Ob er insoweit den zu beachtenden Anforderungen gerecht wurde und pflichtgemäß handelte, lasse sich daher nicht prüfen. Es sei offen, ob sich der Angeklagte z.B. über die Berechtigung der gegen die AG erhobenen Forderungen und das Risiko eines angedrohten Rechtsstreits informierte beziehungsweise in der konkreten Situation hätte informieren müssen. Nach den getroffenen Feststellungen ergebe sich nicht ohne Weiteres, dass die Zahlung allein auf Anforderung der Vertragspartner und Drohung mit einem Rechtsstreit unternehmerisch vertretbar war. Deshalb sei die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen; denn eine vorsätzliche Pflichtverletzung sei nicht rechtsfehlerfrei abgelehnt worden, und eine Strafbarkeit des Angeklagten scheide nicht von vornherein aus.
Für die Praxis ist daher Folgendes zu beachten und zu empfehlen:
Für viele Geschäftsführer und Vorstände gehört es zum Tagesgeschäft, dass Stakeholder jeglicher Art (u.a. Lieferanten, Dienstleister) angebliche Ansprüche geltend machen, mahnen und klagen. Um sich lästiger Gläubiger zu entledigen und auf das operative Geschäft fokussieren zu können, werden mitunter auch unberechtigte Forderungen ohne nähere Prüfung beglichen. Dies kann später zum Problem werden, wenn nach Gründen gesucht wird, um den Geschäftsleiter abzuberufen und zu kündigen oder wenn es zum Insolvenzverfahren kommt. Daher sollte Folgendes beachtet werden:
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