Haftung des Top-Managements für überteuerten Firmenwert

In einer sich rasant verändernden Wirtschaft sind Investitionen in neue Technologien oder Beteiligungen an potenzialstarken Start-ups oft unverzichtbar, um künftiges Wachstum abzusichern. Nicht immer kommt aber dabei das heraus, was man sich versprochen hat – manchmal gar nichts. Wann Geschäftsführer und Vorstände für einen Fehlschlag persönlich haften und wie sie dies vermeiden können, lässt sich aus einem Urteil des OLG Frankfurt/Main erkennen.

Peter Seligmann* ist Geschäftsführer der Suncollectors GmbH*, die auf Beratung und Handel im Solarbereich spezialisiert ist. Parallel hat Seligmann mit zwei Bekannten eine GbR aufgebaut, die ein Patent für die Auswertung von Telekommunikationskosten hält sowie einen am Markt neuartigen SunTracker Controller entwickelt hat, mit dem sich die Sonnen-Position standortgenau berechnen lässt. Die Umsätze der GbR sind indes alles andere als sonnig, sondern gleich null. Seligmann sieht nur eine Lösung: „Wir kaufen den operativen Betrieb der GbR und entwickeln das Geschäft unter Suncollectors“, so der Geschäftsführer. So kommt es dann auch, allerdings entfallen 85% des Kaufpreises auf den Firmenwert und nur der Rest auf reale Assets. Das Geschäft von Suncollectors trübt sich zunehmend ein, das Unternehmen geht pleite und der Insolvenzverwalter verlangt schließlich von Seligmann, dass er für den überteuerten Firmenwert der GbR-Assets aus eigener Tasche aufkommt.

Überhöhter und unangemessener Preis für Firmenwert als Schaden

Zu Recht, wie das OLG Frankfurt/Main mit Urteil vom 02.06.2017 (Az: 25 U 107/13) befindet. Der Schaden der Suncollectors GmbH liege darin, dass sie einen unangemessenen und überhöhten Preis für den Firmenwert der GbR gezahlt hat. „Der Firmenwert entspricht dem Betrag, den ein potenzieller Käufer für ein Unternehmen als Ganzes über den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände hinaus im Hinblick auf künftige Ertragserwartungen unter Berücksichtigung aller Schulden zu zahlen bereit ist“, so das Gericht und zählt als wertbildende Faktoren unter anderem auf: Stammkundschaft, gutes Management, effiziente Herstellungsverfahren bzw. Betriebsorganisation, rationelle Verfahren, Know-how. In diesem Fall sei der Name der GbR nicht fortgeführt worden und die GbR habe auch keine Umsätze erzielt, so dass sich ein Firmenwert höchstens aus immateriellem, nicht bilanzierten Know-how ergeben könne.

Auch fehlende Verwertungsmöglichkeit von Patenten ist ein Schaden

Aber selbst das liege hier nicht vor. Denn im Nachgang habe ein Sachverständiger festgestellt, dass das übertragene Patent wirtschaftlich nicht verwertbar gewesen sei und auch nicht verwertet worden ist. Außerdem habe es für den SunTracker Controller nur einen Prototypen gegeben, der nicht erfolgreich auf den Markt gebracht werden konnte. Das Gericht hält fest, dass von einer Werthaltigkeit nur dann auszugehen wäre, wenn

  • eine künftige bestimmte Verwertungsabsicht bestanden hätte und
  • Synergieeffekte zu erwarten gewesen wären.

Das aber sei hier nicht der Fall gewesen, weshalb dem Erwerb keine Einnahmen oder Wertsteigerungen in gleicher Höhe gegenüber gestanden hätten. Der Firmenwert habe allenfalls bei 15% des Kaufpreises gelegen, der Rest sei als Schaden des insolventen Unternehmens einzustufen.

Persönliche Haftung für überteuerten Kauf

Und dafür hafte Seligmann persönlich. Denn er habe die Kalkulation des Firmenwerts nicht plausibel erklären können und mit dem Erwerb gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen. Er habe keine nachvollziehbaren Gründe dafür geliefert, warum Suncollectors den Firmenwert der GbR zu einem Betrag gekauft hat, der weder zu dem Betriebsergebnis noch zu der Verwertbarkeit des Know-hows „in einem realistischen Verhältnis stand“. Wenn es keine sachlichen Gründe für den Unternehmenswert – sondern in diesem Fall ein massives Eigeninteresse an dem überteuerten Wert – gibt, sei der Erwerb nicht mehr von dem Ermessen nach der Business Judgment Rule gedeckt.

Wann eine persönliche Haftung ausscheidet

Das OLG Frankfurt/Main weist darauf hin, dass in dem entschiedenen Fall eine Haftung nur dann ausscheide, wenn es

  • eine wirksame Weisung der Gesellschafterversammlung oder
  • ein Einverständnis der Gesellschafter

gegeben hätte. Dafür seien aber ein förmlicher Beschluss und eine entsprechende Satzungsgrundlage notwendig. Zudem könne sich Seligmann nicht auf alternatives pflichtgemäßes Handeln berufen, weil er nicht zweifelsfrei habe zeigen können, dass die Gesellschafter auch bei vollständiger und richtiger Information dem Erwerb zugestimmt hätten.

Quintessenzen für Manager

Die Haftung Seligmanns dürfte eine Warnung für Geschäftsführer und Vorstände sein, sich bei Akquisitionen von jungen Unternehmen oder Technologien in einem frühen Entwicklungsstadium (z.B. wenn es nur einen Prototypen gibt) intensiv mit deren Firmenwert zu befassen oder zumindest die konkrete Verwertungsabsicht und mögliche Synergieeffekte zu dokumentieren. Ideal ist es, wenn es Bewertungsgutachten oder andere externe Quellen gibt, die den Firmenwert objektiv beziffern. Nur dann lässt sich im Fall eines späteren Scheiterns beweisen, dass und warum der gezahlte Preis verhältnismäßig war – und das Risiko eingegangen werden durfte bzw. eine persönliche Haftung ausscheidet.

*Namen und Firmenbezeichnung geändert

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