Wann Manager für Zahlungen bei Insolvenzreife haften

Eine GmbH gerät in die Krise, ist bilanziell überschuldet und faktisch zahlungsunfähig – ein Insolvenzantrag wurde aber noch nicht gestellt. In dieser Lage darf der Geschäftsführer grundsätzlich keine Zahlungen mehr für die GmbH vornehmen und z.B. keine Rechnungen mehr begleichen – wenn er sich nicht persönlich haftbar machen will. Ein Urteil des OLG München vom 22.06.2017 (23 U 3769/16) zeigt, dass selbst mit Blick auf die Bezahlung von Arbeitsleistungen höchste Vorsicht geboten ist.

René Zwinger* steht als Geschäftsführer der Ultrawax GmbH* mitten in der Krise, kämpft gegen die bilanzielle Überschuldung: drei Immobilien sind zu hoch bewertet und der Jahresabschluss weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Aber weil es ja irgendwie weitergehen muss, kümmert sich Zwinger um das Operative und zahlt. Kontoauszüge werden später zeigen, dass er unter anderem Kosten für Mietpersonal, Arbeitgeberanteile der Sozialversicherungsbeiträge, Steuerberatungskosten, Kosten für Werbung sowie Kosten für Benzin, Gas und Strom vom Bankkonto beglichen hat. Es kommt zum Insolvenzverfahren und schließlich wird Zwinger durch den Verwalter verklagt. Zwinger wehrt sich und meint, dass dem Vermögen des Unternehmens ja ein Gegenwert im Zusammenhang mit den Zahlungen zugeflossen sei. Das aber sieht das Gericht anders.

Arbeitsleistung keine werthaltige Gegenleistung – Arbeitgeberanteile dürfen nicht abgeführt werden

„Die Haftung kann nur entfallen, wenn sich die im Interesse der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu erhaltende Haftungsmasse tatsächlich nicht verringert hat“, so das OLG München. Es müsse anstelle der Zahlung ein gleichwertiger Gegenstand in das Vermögen des später insolventen Unternehmens gelangt sein, der genauso wie die Zahlung zum pfändbaren Haftungsbestand gehört. Das aber sei z.B. auch bei der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht der Fall: weil der GmbH-Geschäftsführer (im Übrigen gilt dies ebenso für den AG-Vorstand) bei Insolvenzreife keine Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung abführen darf, sei die Arbeitsleistung keine werthaltige Gegenleistung. Bezüglich gezahlter Bruttolöhne bestehe eine Ersatzpflicht des Geschäftsführers.

Auch Vorleistungen dürfen nicht vergütet werden

Zudem muss Zwinger für Zahlungen haften, mit denen er alte Schulden ausgeglichen hat. Denn Geschäftsführer sollen in der Krise nicht „nach ihrem Belieben Altforderungen bedienen“ können, so das OLG München. Wenn also zuerst ein Dienstleister tätig wird, dann die Insolvenzreife eintritt und daraufhin der Geschäftsführer die Rechnung des Dienstleisters ausgleicht, kommt es zu einer Verkürzung der Aktivmasse und damit zu einer Haftung des Geschäftsführers. Dass die Leistungserbringung durch den Dienstleister nicht nur zu einem Vermögenszufluss für die kriselnde GmbH, sondern für diese zugleich auch zu einer Verbindlichkeit mit Blick auf die Rechnung des Dienstleisters führt, werde nicht gegeneinander verrechnet.

Zahlungen zur Vermeidung sofortiger Betriebseinstellung zulässig – aber: Sanierungskonzept nötig

Wie das Gericht betont, darf der Geschäftsführer in der Insolvenzsituation ausnahmsweise solche Zahlungen vornehmen, mit denen größere Nachteile für die Masse abgewendet werden können. „Dies kommt insbesondere bei Zahlungen in Betracht, ohne die der Betrieb im Zweifel sofort hätte eingestellt werden müssen, was jede Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht hätte“, heißt es in dem Urteil. Wenn sich ein Geschäftsführer auf die Ausnahme stützen will, muss jedoch in der Insolvenzsituation ein tragfähiges Sanierungskonzept vorliegen. Hinzu kommt, dass die ausnahmsweisen Zahlungen nur in einem kurzfristigen Zeitfenster von normalerweise drei Wochen in Betracht kommen. Denn währenddessen müssen die Sanierungsbemühungen abgeschlossen sein – oder aber der Geschäftsführer bzw. Vorstand muss Insolvenzantrag stellen.

*Name und Firmenbezeichnung geändert.

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