Wer Aufsichtsratsmitglied und zugleich Experte auf einem bestimmten Gebiet ist, arbeitet mitunter parallel als Berater für das Unternehmen und wird dafür separat bezahlt. Solchen Engagements muss der Aufsichtsrat zustimmen, damit der Beratervertrag wirksam ist. Kommt es dabei zu formalen Fehlern, hat neben dem beratenden Aufsichtsratsmitglied auch der Vorstand ein persönliches Problem – wie ein Urteil des OLG Nürnberg zeigt, das im Übrigen nicht nur für die AG gilt, sondern sich auch auf die GmbH übertragen lässt.
Peter Lampert* ist Immobilienexperte und vermittelt über seine Firma regelmäßig Objekte an die Frankenland Real Estate AG*, die mit Grundstücken handelt und als Bauträgerin agiert. Lampert versteht sich blendend mit dem Vorstand, zumal es sich um seine Tochter Ilka Weinschmidt* handelt. Er wird gebeten, Aufsichtsratsmitglied bei Frankenland zu werden. Dazu kommt es dann auch – doch damit nicht genug: Lampert soll parallel auch Bauverträge an Frankenland vermitteln und dafür eine Provision erhalten. Der Aufsichtsrat befasst sich in einer Sitzung mit dem geplanten Zusatzvertrag für Lampert; im Protokoll heißt es: „Der bestehende Vertragsentwurf wird grundsätzlich für richtig befunden. Die endgültige Fassung des Vertrages wird bei der nächsten Aufsichtsratssitzung vorgelegt.“ Das aber passiert dann nicht mehr. Dennoch sorgt Weinschmidt dafür, dass ihr Vater für vermittelte Immobilien vergütet wird. Als Frankenland später in die Insolvenz gerät, werden Lampert und Weinschmidt durch den Insolvenzverwalter auf Erstattung bzw. Schadensersatz verklagt.
AG-Vorstand haftet für unwirksame Beraterverträge
Am Ende muss Weinschmidt als Vorstand für die Provisionszahlungen persönlich geradestehen. Das OLG Nürnberg entscheidet am 08.03.2017 (12 U 927/15), dass sie als Vorstand und auch als Alleinerbin ihres inzwischen verstorbenen Vaters eine Erstattung aller gesetzwidrigen Zahlungen schulde und stützt sich dabei auf die Regelung des § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG. Danach haftet der Vorstand einer Aktiengesellschaft auf Schadensersatz, wenn Vergütungen für Beratungsleistungen an Aufsichtsratsmitglieder ohne Zustimmung des Aufsichtsrats gewährt werden. „Der Schaden der Gesellschaft liegt hier schon in dem Liquiditätsabfluss, ohne Rücksicht auf die damit zugleich entstehenden Erstattungsansprüche gegen den Zahlungsempfänger“, so das Gericht und hebt hervor, dass ein Verschulden unterstellt wird. Ein Schaden scheide nur dann aus, wenn der Fehlbetrag wieder an die AG zurückfließt oder durch einen Wert ausgeglichen wird, der endgültig ins Vermögen der AG gelangt.
Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu Beraterverträgen
Das OLG Nürnberg skizziert in seiner Entscheidung den rechtlichen Rahmen für Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern:
- Nach § 114 AktG muss der Aufsichtsrat zustimmen, wenn zwischen einer AG und einem Aufsichtsratsmitglied ein Dienst- oder Werkvertrag über „Tätigkeiten höherer Art“ – und damit vor allem Beratungsverträge – geschlossen werden soll, wonach das Aufsichtsratsmitglied eine Leistung zu erbringen hat, die es nicht schon aufgrund des Aufsichtsratsmandats erbringt.
- Eine „Tätigkeit höherer Art“ ist zumindest jede Beratung oder Geschäftsbesorgung, die sich aus dem Alltäglichen heraushebt und besondere Kenntnisse oder eine besondere Vertrauensstellung erfordert. Wie das OLG Nürnberg schreibt, ist dieses Merkmal bei Verträgen von Aufsichtsratsmitgliedern durchgängig erfüllt. Maklertätigkeiten oder Bauprojektbetreuung seien jedenfalls nicht Teil der Aufsichtsratstätigkeit.
Formalien: Ausdrücklicher Beschluss und Stimmrechtsausschluss
Um eine wirksame Zustimmung des Aufsichtsrats zu einem Beratervertrag einzuholen, ist ein ausdrücklicher förmlicher Aufsichtsratsbeschluss erforderlich, an dem das betroffene Aufsichtsratsmitglied nicht mitwirken darf. Ausgeschlossen ist eine Entscheidung durch Schweigen oder schlüssiges Handeln, denn wirksame Aufsichtsratsbeschlüsse können nicht stillschweigend gefasst werden. Auch eine nachweisliche „Einigkeit der Aufsichtsratsmitglieder über Parameter eines Vertragsentwurfs“ reicht nicht aus. Vielmehr ist ein förmlicher Beschluss des Aufsichtsrats erforderlich – nicht ausreichend ist hingegen ein Beschluss der Hauptversammlung, auch wenn im Frankenland-Fall einer der Beklagten mit der Zustimmung des Alleinaktionärs argumentiert hat.
Informationsbasis: Auf die Gesamtvergütung kommt es an
Zur Beschlussfassung müssen dem Aufsichtsrat folgende Informationen vorliegen:
- Offenlegung des wesentlichen relevanten Vertragsinhalts – denn nur so kann der Aufsichtsrat beurteilen, ob die Zustimmung im Interesse der Gesellschaft liegt.
- Abschluss des Beratervertrags schriftlich oder zumindest in Textform, wobei die speziellen Beratungsgegenstände konkret bezeichnet werden. Nicht konkret genug sind: bloße Rahmenverträge oder Stundenaufstellungen.
- Angabe der vertraglich vereinbarten Vergütungshöhe – entscheidend ist, dass der Gesamtumfang der Vergütung angegeben wird. Nicht konkret genug sind: bloße Genehmigung eines bestimmten Budgets, Festsetzung von Tagessätzen, ein bloßer Verweis auf die „üblichen Stundensätze“, die Angabe eines festen Stundensatzes ohne Herleitung des möglichen Gesamtumfangs der Vergütung, oder Verweis auf eine amtliche Gebührenordnung ohne Angabe der möglichen Gesamtvergütung.
Vorschrift gilt auch für Altverträge
Vorstände und Aufsichtsräte sollten beachten, dass die Zustimmungspflicht nicht nur für Verträge gilt, die ein Aufsichtsratsmitglied nach Amtsbeginn mit der AG schließt. Erfasst sind auch Altverträge, die vor Amtsbeginn des Aufsichtsratsmitglieds geschlossen worden und anfänglich wirksam waren. Stimmt der Aufsichtsrat nicht zu, werden solche Verträge mit Amtsbeginn des Aufsichtsratsmitglieds wirkungslos und treten erst mit Ende dessen Amtsdauer wieder in Kraft.
Zustimmungspflicht: nicht nur für Großunternehmen und auch für GmbH
Wie das OLG Nürnberg hervorhebt, ist § 114 AktG zwingendes Recht und lässt sich nicht durch Satzungsregelungen oder auf sonstige Weise aushebeln – selbst wenn hinter der AG nur ein einziger Aktionär steht. Zudem ist die Regelung nicht auf „große AG’s“ beschränkt, sondern gilt unabhängig von Größe und Branche. Was das OLG Nürnberg nicht entscheiden musste, aber für Top-Manager praxisrelevant ist: die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu Beraterverträgen eines Aufsichtsratsmitglieds kann auch für die GmbH gelten. Dazu sind folgende Unterscheidungen wichtig:
- Hat die GmbH freiwillig einen Aufsichtsrat gebildet, so ist die Zustimmung des Aufsichtsrats zu einem Beratervertrag mit einem Aufsichtsratsmitglied dann erforderlich, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht besagt, dass die aktienrechtliche Regelung ausgeschlossen wird.
- Muss die GmbH aber z.B. wegen der Unternehmensgröße einen Aufsichtsrat haben, dann ist die Zustimmung des Aufsichtsrats zwingend notwendig, weil die aktienrechtliche Regelung durch den Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen werden kann.
*Namen und Firmenbezeichnung geändert