Zur Treue verpflichtet – ein Geschäftsführer auf Abwegen

Gar nicht so selten kommt es in der Praxis vor, dass Unternehmensgründer im Laufe der Zeit bemerken, dass ihre Mitgründer oder neu hinzu gekommene Investoren nicht zu ihnen passen oder dass es neue Opportunitäten außerhalb des Unternehmens gibt. Wenn die bisherigen Mühen aber nicht vergebens gewesen sein sollen, versuchen geschäftsführende Gesellschafter in solchen Fällen oftmals, Kundenbeziehungen und Know-how zu transferieren. Dass sie dabei gegen die Interessen ihrer GmbH und Mitgründer handeln, nehmen sie bewusst oder unbewusst in Kauf.

Dirk Peters* ist Co-Founder und geschäftsführender Gesellschafter der Frontend Solutions GmbH*. Gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Gerhard*, acht Angestellten und fünf freiberuflichen Software-Entwicklern hat er ein vielversprechendes Geschäftsmodell rund um Blockchain-Anwendungen aufgebaut. Der Kundenstamm wächst, die Gewinnzone ist nach drei harten Jahren des Aufbaus erreicht. Doch zwischen den beiden Gründern knirscht es, weil Peters in das Geschäft mit Non-Fungible Tokens (NFT) einsteigen will. „Das kannst Du vergessen. Das ist nur ein Hype. Da kommt nichts bei rum und wir verlieren den Fokus auf unser Kerngeschäft“, hält sein Mitgründer dagegen.

Ein Gründer auf Abwegen

Die Aussicht auf sprudelnde Gewinne durch NFTs für Gemälde oder Musik lässt Peters jedoch nicht los. „Dann mach ich das halt allein und nehme die Leute mit. Soll Alex doch sehen, dass er mit dem Rest erfolgreich wird oder nicht“, raunt er nach Feierabend seiner Frau zu. In der Folgezeit geschehen ungewöhnliche Dinge in der Firma: nach einem von Peters einberufenen Team-Meeting kündigt ein Angestellter nach dem anderen innerhalb von zwei Wochen. Auch drei Software-Entwickler wollen plötzlich nicht mehr für Frontend Solutions arbeiten und Kunden stoppen ihre monatlichen Abos. Peters und Gerhard sprechen kaum noch miteinander, das Büro ist verwaist und die Insolvenz scheint nur noch eine Frage der Zeit. Doch Gerhard stemmt sich gegen die Entwicklung und gewinnt zwei neue Aufträge, die er zusammen mit dem verbliebenen Team angeht. Peters hingegen verkauft seine Anteile an Gerhard und legt sein Amt als Geschäftsführer nieder.

Eine böse Überraschung

Später erfährt Gerhard über ein Karriereportal, wohin es die alten Kollegen gezogen hat: zur Chain Consult GmbH*. Er lädt im Unternehmensregister die Gesellschafterliste herunter, aus der sich eine DP Holding UG* als Gesellschafterin ergibt. Deren Gesellschafterliste wiederum führt zu einer bösen Überraschung. Dirk Peters ist alleiniger Gesellschafter und deshalb mittelbar an Chain Consult beteiligt. Gerhard spricht einen Ex-Kollegen über das Karriereportal an und erfährt, dass dieser und auch die anderen zu praktisch gleichen Konditionen den Arbeitgeber gewechselt haben. Auf der Website von Chain Consult entdeckt Gerhard schließlich zu allem Überfluss noch Referenzen der früheren Kunden von Frontend Solutions.

Gründer wird auf Zahlung von Schadensersatz verklagt

Es kommt zum Eklat: Gerhard lässt Peters durch Frontend Solutions auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Er habe existenzbedrohend in das Vermögen und die Geschäftschancen eingegriffen, um den Geschäftsbetrieb ohne Ausgleich und ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung auf Chain Consult als neue Wettbewerberin zu übertragen. In dem Team-Meeting habe er die geplante Übertragung präsentiert und den Mitarbeitern in Einzelgesprächen nahegelegt, zu kündigen und identische Arbeitsverträge mit Chain Consult abzuschließen. Außerdem habe Peters an der Überleitung von Kundenverträgen aktiv mitgewirkt.

Die Entscheidung des Gerichts

Während das Landgericht Darmstadt und das Oberlandesgericht Frankfurt einen Schadensersatzanspruch noch abgelehnt hatten, weil ein Fehlverhalten von Peters nicht bewiesen sei, sah der Bundesgerichtshof dies in seinem Beschluss vom 22.06.2021 (Az.: II ZR 140/20) anders.

Bei den behaupteten Vorgängen handele sich um Umstände aus dem Einflussbereich des Geschäftsführers. Für diese sei das von ihm verwaltete Unternehmen typischerweise in Beweisnot, so dass die Frontend Solutions ihre Behauptungen auch auf lediglich vermutete Tatsachen stützen könne. Der Geschäftsführer einer GmbH sei dieser gegenüber zur Auskunftserteilung verpflichtet – auch nach der Abberufung und Beendigung des Anstellungsvertrags. Für die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht genüge schon das allgemeine Interesse, die Tätigkeit des Geschäftsführers zu kontrollieren.

Ein Auskunftsinteresse ergebe sich aus dem begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung und der Wahrscheinlichkeit eines daraus folgenden Schadens. Der Geschäftsführer dürfe die Auskunft auch nicht deshalb verweigern, weil er damit eine Pflichtverletzung offenbaren würde.

Für die Praxis ist daher Folgendes zu beachten und zu empfehlen:
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